In fast jedem Baumarkt und Geschenkartikel-Laden werden mittlerweile Buddha-Figuren verkauft, keineswegs aber Kreuze oder Jesus-Statuen. Zwar hat der Buddhismus als Religion hierzulande nur eine kleine Anhängerschaft. Aber die Ruhe ausstrahlende Gestalt des meditierenden Buddha fasziniert in unserer stressreichen Zeit doch viele Menschen.
Auch auf dem Sektor der Esoterik spielt der Buddhismus eine größere Rolle. Deshalb ist in unserem immer weniger christlich geprägten Kulturraum ein Vergleich zwischen den Stifterfiguren Jesus und Buddha reizvoll. Welche Gemeinsamkeiten oder Ähnlichkeiten bestehen zwischen Buddha und Jesus, und was sind die entsprechenden Unterschiede?
1. Gemeinsamkeit: Religiöse Reformer
Eine Gemeinsamkeit teilten Siddhartha Gautama ("Buddha") und Jesus von Nazareth: Beide konnten an eine religiöse Reformbewegung anknüpfen. Im Fernen Osten handelte es sich damals um eine Freiheitsbewegung, die sich von der Bevormundung durch das Brahmanentum abzusetzen trachtete. Die Brahmanen besaßen das Opfermonopol, während andere Kasten in Sachen Religion nichts zu sagen hatten.
Demgegenüber erwies sich die neue Unabhängigkeitsbewegung als spiritueller Aufbruch: Tausende von zölibatär lebenden Bettelmönchen suchten ihr Heil durch Versenkungsübungen und Spekulationen zu erlangen. Einige bildeten schließlich Schulen. Einem solchen Schulhaupt, das für das Erlernen von Meditation und einer Art Yoga-Trance warb, unterstellte sich Siddhartha Gautama, später einem weiteren.
Jesus hatte sich bekanntlich Johannes dem Täufer angeschlossen, der im Grunde mehr war als ein religiöser Reformer, nämlich ein radikaler apokalyptischer Prophet. Unter die Tausende, die sich von ihm aus Furcht vor dem Jüngsten Gericht zur Umkehr rufen und taufen ließen, mischte sich auch Jesus, der später wohl selbst mit seinen Jüngern taufte.
Der grundlegende Unterschied zwischen den beiden genannten Bewegungen bestand darin, dass man im fernen Osten zu einer methodischen Suche nach authentischer Spiritualität und Erlösung aufgebrochen war, während im nahen Osten der sich erbarmende Richter-Gott als der Suchende verkündet wurde, der den Umkehrwilligen den Weg eines gnadenhaften Neuanfangs ermöglichte.
2. Gemeinsamkeit: Asketen
Siddhartha Gautama und Jesus von Nazareth lebten beide ein gewisses Asketentum. Fast im gleichen Alter zogen sie in die Hauslosigkeit. Aber sie durchbrachen auch beide die rigorose Strenge des Asketentums – jeder auf seine Weise. Im Unterschied zu Jesus war Gautama als behüteter und geförderter Fürstensohn aufgewachsen. Mit 29 verließ er Frau und Kind, nachdem er im Zuge einiger Ausfahrten viel Leidvolles erblickt und empfunden hatte, man könne nur als bindungsloser Asket zur Erlösung gelangen. Über fünf Jahrzehnte Jahre lang war er dann als Bettelmönch unterwegs.
Schon früh lernte er das Konzept von Seelenwanderung und den Tatenfolgen des zeitübergreifenden "Karma" näher kennen. Nach jahrelanger Hungeraskese und extremen Atemübungen erkannte er: Solche Kasteiungen können kein Weg zur Erlösung sein, weil der damit verbundene Fanatismus der Haltung der Ablösung entgegenstehe. Nachdem er fortan weniger verkrampft meditierte, soll er – nach wie vor Asket – eines Tages jene "Erleuchtung" erreicht haben, die ihn zum Buddha, zum "Erwachten" werden ließ.
Jesus zog mit seinen Jüngern ebenfalls mit einer gewissen Askese-Haltung durchs Land. Aber seine Jünger bildeten keinen Mönchsorden. Vom strengen Asketentum Johannes des Täufers setzte er sich ausdrücklich ab; ja er war mitunter als "Fresser und Weinsäufer" (Mat 11,19) verschrien. Der Grund lag in seiner messianischen Verkündigung des Gottesreiches, das er in seiner Person "nahe herbeigekommen" sah.
Hatte die Eindämmung der Askese bei Gautama eher methodische Gründe, so war sie bei Jesus durch den Inhalt seiner Heilsverkündigung selbst verursacht. Entsprechend frei und human verhielt sich der "Sohn" Gottes in seiner Bindung an den Vater gegenüber religiösen und sonstigen Gesetzen, während der Buddha das Heil gerade im Aufspüren und Einhalten der die Wirklichkeit tragenden Gesetze erfuhr.
3. Gemeinsamkeit: Charismatiker
Gautama wie Jesus waren charismatische Menschen, die bei weitem die Grenzen normaler Wirklichkeitserfahrung transzendierten. Gleichwohl repräsentieren sie unterschiedliche Typen des ‚religiösen Genies’. Der Buddha steht religionsphänomenologisch primär für den Typus des Erkennenden, des mystischen Esoterikers: Er erstrebt und erlangt ein "direktes Erschauen" jener Strukturen der Wirklichkeit, die den Menschen gefangen halten.
Kraft dieser Erleuchtung weist er den Weg zur Erlösung. Nach Gustav Mensching bedeutet buddhistische Erkenntnis als solche bereits "eine Seinsverwirklichung im Subjekt": Sie vernichtet die durchschauten Leidensursachen, und insofern kommt ihr Erlösungskraft zu, während in der "Unwissenheit" die eigentliche Ursache allen Unheils zu suchen wäre.
Jesus ähnelt vergleichsweise eher dem Typus des Magiers: Er besitzt die Kraft zur heilvollen Verwandlung von Wirklichkeitsstrukturen – angefangen bei seinen heilenden Worten und Naturwundern bis hin zu seiner unvergleichlichen Auferstehung. Und doch geht es bei Jesus, genauer betrachtet, nicht etwa um Magie, sondern um ein besonderes Verhältnis zum Schöpfergott, also um die Kraft seines Geistes, die Wirklichkeit dem von Anfang an vorgesehenen Vollendungsziel näherzubringen.
Der historische Buddha hat keine Heilungswunder vollbracht, auch Magie abgelehnt und im Übrigen für seine Person keine Exklusivität beansprucht. Jesus dagegen ist den Menschen als Heiler begegnet und hat als Person zumindest indirekt einen messianischen Exklusivanspruch erhoben. Der Neutestamentler Gerd Theißen unterstreicht:
"Als apokalyptischer Wundercharismatiker steht Jesus singulär in der Religionsgeschichte."
4. Gemeinsamkeit: Passion
Siddhartha Gautama und Jesus von Nazareth sind, jeweils auf ihre Weise, einen Passionsweg gegangen. Zunächst hatten es beide im engsten Schülerkreis mit einem Verräter zu tun, der ihren Tod anstrebte. Der 80-jährige Buddha soll dem Tod allerdings mehrfach kraft seiner Hoheit ausgewichen sein. Gleichwohl ist es zumindest nicht ausgeschlossen, dass sein Tod – wohl um das Jahr 370 – ein Giftmord war; Heilsbedeutung wurde ihm jedenfalls nicht beigemessen. Das letzte Wort des Sterbenden galt lediglich der Abwehr von Trauer und damit von psychischem Leid bei seinen Schülern:
"Die Persönlichkeitsbestandteile unterliegen dem Gesetz des Vergehens; bemüht euch angestrengt!"
Jesus indessen, obgleich bei seinem Tod fast 50 Jahre jünger, wich nach einigen Fluchtversuchen schließlich der Passion nicht mehr aus. Er ging bewusst in Solidarität mit der Entfremdung der Menschen seinen Leidensweg konsequent zu Ende. Auf dieser Linie wurde sein Tod am Kreuzesgalgen nach der Auferstehungserfahrung von seinen Anhängern weiterinterpretiert, nämlich als zentrales Heilsereignis von menschheitlicher, ja kosmischer Dimension. Die so unterschiedlichen Lebensausgänge beider Männer stehen für völlig unterschiedliche Biographien und Sinndeutungen – vor allem auch, wenn man das fürs Christentum wesentliche Osterzeugnis mit berücksichtigt.
1. Unterschied: Frage des Heils
Was ihre Lehre angeht, so sahen sich Siddhartha und Jesus in ihrem Menschsein keineswegs als allwissend an. Aber sie nahmen beide entscheidendes Wissen in der Frage des Heils für sich in Anspruch. Von daher begründeten beide Meister-Schüler-Verhältnisse. In den Augen des Buddha war seine eigene Lehre allein heilsam. Er betrachtete sie als nur für "Gebildete" verständlich. Hinter ihr hatte die Bedeutung seiner Person zu verblassen, zumal auch andere Menschen im Prinzip zur Buddhaschaft gelangen können.
Dagegen hat Jesus die Wahrheit primär mit seiner Person und nur sekundär mit seiner Lehre identifiziert. Darauf deuten nicht allein exklusive Selbstaussagen wie in Mat 11,27 und Joh 14,6 hin, sondern sein Auftreten insgesamt, das zur Nachfolge in letzter, Gott selbst gemäßer Hingabe einlud. Deshalb gab es im Christentum von Anfang an einen unverkennbaren Absolutheitsanspruch – nicht für die Religion als solche, sondern für den als "Gottes einzig geborenen Sohn" Verehrten.
Weil Jesus im Unterschied zu Buddha nicht primär Lehrer von Sachverhalten war, konnte er das Himmelreich den "geistig Armen" zusprechen. Zwar betrachteten sich beide Männer jeweils als aufopfernden "Sämann"; aber sie säten durchaus unterschiedliche Botschaften im Kontext differenter Wirklichkeitsparadigmen aus. Das "rettende" Wissen des Buddha war ein den Menschen grundsätzlich mögliches. Dagegen verstand Jesus sein entscheidendes Wissen, ja Selbstbewusstsein, als Offenbarung im Horizont einer heils-, ja endgeschichtlichen Weltsicht.
2. Unterschied: Erlösung
Für Gautama wie für Jesus stand die Erlösungsnotwendigkeit des Menschen fest. So kam es zu den beiden größten Erlösungsreligionen der Welt – bei allerdings höchst unterschiedlichen Erlösungsvorstellungen. Der "Buddha" lehnte einen personalen Schöpfer- und Erlösergott ab – nicht zuletzt aus Gründen der seiner Überzeugung nach unlösbaren Theodizee-Frage. Dem Kreislauf von Werden und Vergehen zu entfliehen, bedeute Erlösung, wobei jede Form von Fremderlösung ausgeschlossen sei. Der Weg zum Heil könne und müsse aus eigener Kraft gegangen werden.
Daher spricht Gustav Mensching hier von einer Theorie der "Selbsterlösung" – wobei jedoch die eigentliche Erleuchtung keineswegs einfach in die Verfügungsgewalt des noch nicht erlösten Selbsts fällt. Buddhistische Schulen streiten bis heute um die schwierige Frage nach dem zumindest ansatzweise erlösungsmächtigen Selbst.
Jesus hingegen verstand Erlösung als Geschenk an das trotz aller Entfremdung von Gott bejahte Geschöpf. Heil bedeutet ihm zufolge die Begegnung mit der auf‑richtenden Liebe Gottes, die als ganzheitlicher Freispruch von der Verurteilung im kommenden Endgericht erfahren werden kann. Weder Selbsterlösung noch ein komplizierter Heilspfad wird da gelehrt; vielmehr kommt es auf die Haltung tiefster Dankbarkeit des Glaubenden an. Keine Lehre von Seelenwanderung und Karma ertönt, sondern der Heilandsruf:
"Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken" (Mat 11,28).
3. Unterschied: Das Leiden der Menschheit
Gautama und Jesus haben sich beide intensiv mit dem Leiden der Menschen auseinandergesetzt. Buddhas "vier edle Wahrheiten" diagnostizieren die Leidverfallenheit aller Geborenen und die Leidensentstehung im Begehren, um die Aufhebung des Leidens durch Ausmerzen allen Begehrens auf dem "achtfachen Pfad" zu lehren.
Sein oft abgebildetes Lächeln zeugt von innerer Erhabenheit über das Leiden, von der Nirwana-Seligkeit unberührbaren Gleichmuts. Das Nirvana sei nicht nur anzustrebender Endzustand, sondern schon mitten in der Welt erfahrbar; es bedeute kein absolutes Verlöschen, sondern das Verlöschen allen Unheils und nachdenklichen Bemühens.
Jesus indessen hat das Leid nicht analysiert, sondern ist in Solidarität mit den Leidenden seinen Passionsweg gegangen. Während der Buddha um der Leidensflucht willen alles irgendwie mit Begehren verbundene Lieben und Leben negiert hat, hat Jesus sich in sorgender Liebe zu den körperlich oder sozial Leidenden hinab gebeugt – weit entfernt davon, ihre Schmerzen etwa mit dem individuellen Faktor spiritueller Unwissenheit in Verbindung zu bringen. Eine universale Befreiung vom Leid hat er in der einst vollendeten, jetzt aber schon im heiligen Geist ein Stück weit erfahrbaren Wirklichkeit des Gottesreiches erwartet, statt Leidfreiheit mit einer Art Weltlosigkeit gleichzusetzen.
4. Unterschied: Sterblichkeit
Buddha und Jesus haben die Sterblichkeit des Menschen ernst genommen, jedoch keineswegs so etwas wie eine "Ganztod"-These vertreten. In ganz unterschiedlicher Weise gingen sie von einer Kontinuität im Tod aus. Buddha lehrte das "Nicht-Selbst"; individuelle Seelenunsterblichkeit negierte er. Die Psyche sah er als zusammengesetzt und daher vergänglich an.
Aber in seinem Erleuchtungserlebnis hatte er ja anscheinend auf all seine früheren Reinkarnationen zurückgeblickt; also ging er doch von so etwas wie einer inneren Kontinuität aus. Demnach greift seine Erklärung zu kurz, dieses Kontinuum zwischen den Existenzen beschränke sich gewissermaßen auf ein wanderndes Energiepotenzial – vergleichbar der Energieweitergabe zwischen einander weiterstoßenden Würfeln.
Jesus glaubte an die Unsterblichkeit der Seele (Mat 10,28) und die Auferweckung der Toten. Das Vertrauen auf den Schöpfer und Vollender ermöglichte ihm eine entschieden positive Perspektive: "Für Gott sind alle Toten lebendig" (Luk 20, 38). Der Tod ist demnach allenfalls vorläufiger Sieger. Jesus steht für die große Bejahung von Leben und Welt, für die optimistische Hoffnung auf die Vollendung alles Seienden durch den Schöpfer. In scharfem Kontrast hebt sich diese Hoffnung ab von Buddhas Anpeilen der Aufhebung alles Seienden in ein zeitloses und subjektloses, wenn auch wonnevolles "Jenseits".
Fazit
Gautama und Jesus von Nazareth ähneln einander nur in einigen Umrissen. Bei näherer Betrachtung wird schnell deutlich, dass beide ganz unterschiedliche religiöse Konzepte vertreten haben. Mit dem Religionswissenschaftler Hans Wolfgang Schumann gesprochen:
"Buddhismus und Christentum … sind grundsätzlich unvereinbar."
Wer dennoch beide auf einen gemeinsamen Nenner bringen will, beweist nicht etwa besonderen Tiefblick; vielmehr lässt seine Oberflächlichkeit tief blicken. Jesus und Buddha sind gleichsam wie Feuer und Wasser – wobei freilich sowohl Feuer als auch Wasser Sauerstoff enthalten.
Beide Männer zeugen von kraftvoller Spiritualität, ohne die sich keine der beiden zu Weltreligionen entwickelt hätte. Aber schon ihre Symbolik weist in ganz unterschiedliche Richtungen: Reich Gottes und Nirvana, Kreuz und Rad meinen eben keineswegs dasselbe.
Gerade in unserer Zeit eines religiösen Pluralismus sollte die Toleranz groß genug sein, um bestehende Unterschiede wahrzunehmen, statt sie zu überspielen und in letztlich intellektuell unredlicher Manier kleinzureden. Eine Chance zum Gespräch, zur Vermittlung könnte allenfalls darin liegen, dass Buddhisten das letzte Geheimnis der Wirklichkeit als Mysterium zu wahren geneigt sind, während Christen beanspruchen, von jenem Geist berührt zu sein, der sogar die Tiefen der Gottheit erforscht (1. Kor 2,10ff).
Schon Friedrich Nietzsche hat diesen Reiz gespürt und ihm nachgegeben (vgl. z.B.: Der Antichrist, in: Kritische Studienausgabe, hg. von G. Colli und M. Montinari, Bd. 6, 165-254, bes. 202). Bei Hermann Hesse (Siddhartha. Eine indische Dichtung, 1922) begegnet eine "christianisierte" Figur.
Ausführlicher: Werner Thiede: Die Wahrheit ist exklusiv. Gesammelte Aufsätze zum interreligiösen Dialog (2022).
So Gustav Mensching: Buddha und Christus (1978, neu hg. von U. Tworuschka, Freiburg i.Br. 2001), 172.
Vgl. Werner Thiede: Heilungswunder in der Sicht neuerer Dogmatik, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 100 (2003), 90-117.
Rainer Riesner: Messias Jesus. Seine Geschichte, seine Botschaft und ihrer Überlieferung, Gießen 20212; Martin Hengel/Anna M. Schwemer: Der messianische Anspruch Jesu und die Anfänge der Christologie, Tübingen 2001.
Gerd Theißen: Urchristliche Wundergeschichten, Gütersloh 1974, 274.
Vgl. Werner Thiede: Wer ist der kosmische Christus? Karriere und Bedeutungswandel einer modernen Metapher, Göttingen 2001.
Dazu Werner Thiede: Der gekreuzigte Sinn. Eine trinitarische Theodizee, Gütersloh 2007 (Übersetzung ins Spanische 2008).
Vgl. Mensching: Buddha, 164ff.
Vgl. Werner Thiede: Auferstehung der Toten – Hoffnung ohne Attraktivität?, Göttingen 1991; ders.: Unsterblichkeit der Seele, a.a.O. 20222.
Hans Wolfgang Schumann (Interview): Wenn Eisenvögel fliegen, in: Der Spiegel 16/1998, 122-126, hier 122.
Author: Stephen Thomas
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